Rezension zu Funky Colts

Funky Colts ist weiterhin ein freies Rollenspiel, das umsonst herunter geladen werden kann.
 

Funky Colts ist ein freies Rollenspiel der alten Schule, in dem man Abenteuer im Stile der 70er und 80er Jahre Action-Fernsehserien erleben kann. Dabei geht es nicht darum einfach eine Serie nachzuspielen, sondern darum eine eigene Reihe zu entwickeln, mit eigenen Helden, einem eigenen Hintergrund, eigenen Bösewichten und allem was dazu gehört. Der Fokus von Funky Colts wurde dabei bewusst auf ein unkompliziertes Regelsystem gesetzt, ohne besonderen Anspruch auf Realismus. Wie bei den Actionserien der 70er/80er, sollen auch die Abenteuer ? die Episoden - bei Funky Colts schnell, spannend und unterhaltsam sein. Sie sollen Spaß machen, ohne dass man sich dabei Unmengen an Regeln merken oder mitten im Spiel im Regelwerk blättern muss, um die Formel für Querschläger an Betonwänden zu finden. Es geht um Action, um Spaß, um spektakuläre Stunts, heiße Verfolgungsjagden, gefährliche Schießereien, scharfe Bräute, harte Kerle und das alles im Funky-Flair der 70er oder im Neonlicht der geschmackslosen 80er. Bei Funky Colts lässt sich ein Charakter in zehn Minuten zusammenbauen.

Gestaltung des PDF
Das Regelwerk bringt es auf 78 Seiten - damit ist es am oberen Ende dessen was noch bequem am Bildschirm gelesen werden kann.

Die Aufmachung ist knallig in  einem orangenen Rahmen gehalten, passenden und handwerklich gut gemachten Illustrationen und einem auch am Bildschirm angenehm lesbaren Layout.
Auf Arbeitspferdseite positiv ist die Existenz eines Index.

Charaktererschaffung
Als erstes werden 20 Punkte auf die Attribute verteilt, die eine Wertespanne von 1-6 aufweisen.
Hier findet sich ein auf je 2 Attribute aufgeblasener Body/Mind/Soul-Dreiklang, oder en detail:
- Fitness (Stärke + Konsi,)
- Geschick
- Verstand (Intelligenz)
- Sinne (wie Wahrnehmung)
- Wille
- Ego (Charisma)


Etwas unglücklich finde ich hier die teilweise etwas unintuitive Benennung, die schnellem Losspielen ohne Büffeln in die Quere kommt. Fitness und Ego würde ich umbenennen, und wo ich schon dabei bin würde ich Geschick umbenennen da es mehr als nur ein bißchen was anderes ist als Geschicklichkeit.
Als nächstes hat man 40 Punkte für Fertigkeiten, die auch maximal je 6 betragen können.
Hier sind weiterhin Nahkampf, Fernkampf und Ausweichen King of the Hill in Sachen Kampfkraft, und jeder sich selbst respektierende Powergamer wird sie auf Maximum holen.
Hinzu kommen rund 20 weitere Fertigkeiten (inkl. der Sammelfertigkeiten Performance und Wissensbereich). Eine Handvoll hat direkte mechanische Relevanz (wie Bluffen für soziale Manöver und Fahren für Verfolgungsjagden), aber etliche sind reine Orchideenfertigkeiten die am Gutdünken des SLs hängen.

Funky & Stunts
Stunts sind die Feats in Funky Colts, und weiterhin bekommt jeder Startcharakter 2 Stück davon.
Der Großteil sind immer noch flache Bonibringer, die damit weiterhin so interessant sind wie direkte Werteerhöhungen. Etliche flache Bonusbringer wurden dahingehend gefixt dass sie weitere Boni geben wenn man Gummipunkte opfert, aber bei weitem nicht alle (warum auch immer).

Hintergrund
Funky-Colts-Charaktere beginnen weiterhin ohne Hintergrund, sondern entwickeln ihn erst im Spielverlauf. Dazu gibt es auf dem Charakterbogen einen "Story"-Kasten, auf dem man Fakten einträgt wie sie im Spiel auftauchen. Diese Fakten werden immer noch in Freiform ohne unterstützendes System erschaffen, aber es ist weiterhin eine ganz nette Idee im Kampf gegen 10seitige _gute_ Geschichten in denen der SL ertränkt wird.

Charakterverbesserung
Es gibt weiterhin die Kommunistenschöpfkelle an XPs von denen jeder nach jeder Sitzung gleich viele bekommt. Die XPs heißen hier zwar Mojos, aber ansonsten ist es wie in vielen Vampire- und Shadowrun-Runden.
Diese XP werden dann auch zielgenau ausgegeben um Werte zu verbessern, neue Fertigkeiten zu erlernen und neue Stunts hinzuzugewinnen.

Regeln
Hier wird vor allem der Basismechanismus ausgeführt. Dieser ist weiterhin "2 Werte + 2 explodierende W6 gg. Mindestwurf", was wenigstens schnell von der Hand geht. Diese zwei Werte sind meistens ein Attribut und eine Fertigkeit, können aber in besonderen Fällen auch mal zwei Attribute sein.
Danach finden sich die üblichen Sonderanwendungen wie Teamwork und ausgedehnte Proben.

Funkys
Funkys sind das was der Actionpool im Preview war, und im Preview war der Actionpool die Funky-Colts-Bezeichnung für Gummipunkte.
Neben der zu erwartenden Anwendung der direkten Wurfverbesserung können Funkys eingesetzt werden um Patzer abzuwenden, die Initiative im Kampf zu verbessern und eine Runde lang handeln zu dürfen obwohl man schon den Wundstatus "Außer Gefecht" erreicht hat.

Kampf & Action
Kampf ist immer noch der 500-Pfund-Gorilla unter den Regelkernen, und die Grundstruktur des Kampfes ist immer noch gleich: Initiative in absteigender Reihenfolge, jedem eine Handlung (oder mehr mit Mehrfachaktionsabzug), Angriffswurf, aktive Verteidigung, Schadenswurf, und ein Schadensmonitor.
Es gibt ferner noch eine Handvoll Kniffe wie die schon angesprochenen Mehrfachhandlungen, Zielen, sowie Tricks und diverse klar geregelte soziale Aktionen wie Hinhalten.
Eine positive Änderung ist der Wegfall des Manöverwirrwarrs mit wild durcheinander fliegenden Abzügen, jetzt läuft alles intuitiv und einheitlich mit vergleichenden Würfen.

Equipment
Diese ist weiterhin grob klassifiziert (bei Fernkampfwaffen etwa in Form von "Pistole", "Revolver", "Schrotflinte" usw.), und das ist auch gut so für ein Spiel, das an sich den Anspruch stellt ein unkompliziertes, einfaches und schnelles Vergnügen zu bieten.

Verfolgungsjagd
Wie uns unter anderem Knight Rider, Miami Vice und als nur technisch gesehen Nicht-mehr-80er-Serie Thunder in Paradise gelehrt haben sind Verfolgungsjagden ein wichtiger Teil in der Vorlage, darum hat auch Funky Colts ein eigenes Subsystem dafür.
Fahrzeuge werden durch die drei Attribute Handling, Speed und Rumpf modelliert, die genau das bedeuten was man erwartet. Hier folgt auch eine grobe Liste mit Beispielfahrzeugen, ähnlich den anderen Ausrüstungslisten.
Die Verfolgungsjagd selbst ist ein modifiziertes Kampfsystem.
Abstände zwischen Fahrzeugen werden relativ durch abstrakte Distanzeinheiten (DE) festgehalten, ähnlich Savage Worlds und 7th Sea. Hier findet sich auch ein großer Wermutstropfen: Die anfänglichen DE müssen frei Schnauze durch den SL festgelegt werden. Für SLs, die so etwas nicht freihändig festlegen wollen, fehlt es hier an einem Defaultwert oder einem Würfelwurf auf den sie das ganze abwälzen können wenn die Situation nicht klar anderes aussagt.
Bei den Handlungsmöglichkeiten kommen noch einige fahrzeugspezifische wie Rammen und Vollbremsung hinzu.
Schließlich gibt es jede Runde einen Wurf auf das Auftauchen von Hindernissen, und aus Film, Funk und Fernsehen bekannte Beispiele wie die sich öffnende Brücke werden gegeben. Leider kann hier nur festgestellt _ob_ ein Hindernis auftaucht, aber nicht _welches_.
Schließlich gibt es noch einen kleinen Exkurs zu Verfolgungsjagden per Fuß, die den gleichen Regeln folgen (nur dass Attribute und Fertigkeiten statt Fahrzeugattributen herangezogen werden und die Handlungsmöglichkeiten anders sind). Einziger Wermutstropfen ist hier das Fehlen von Beispielhindernissen.
Alles in allem sind die Fahrzeugregeln ein Regelteil der stark Ergänzungsregeln für Anfangs-DE, Art der Hindernisse und Hindernisse für Verfolgungsjagden zu Fuß erfordert. (Oder eben den berühmten Genialen Meister(TM).) Mit ein paar Handgriffen sollte dieser Teil aber tauglich sein.

Das waren die 70er/80er
Zwei Seiten, in denen kurz und knapp die wichtigsten Informationen zu Geschichte, wichtigen Ereignissen, Politik und Lifestyle dieser beiden Jahrzehnte beschrieben werden.
Es ist kein Geschichtskompendium, aber zur schnellen Auffrischung des wichtigsten sollten sie es tun.

Die eigene TV Show
Hier geht es um den Kampagnenbau. Diese nimmt die Form einer Serienkonzeption an, und zusammen mit dem eigenen Bogen für Serien findet sich eine gute Checkliste um nichts wichtiges zu vergessen.

Wie Funky darf's denn sein?
Hier finden sich die Optionalregeln um das System an die angepeilte Serie anzupassen, und es ist positiv zu vermerken dass auf dem Serienbogen Platz ist um anzukreuzen welche Regeloptionen gelten.
Generell werden vor allem zwei Spielweisen geboten: Funky und Hard & Gritty. Es ist zwar nicht illegal Regeloptionen aus diesen beiden Teilen gleichzeitig zu aktivieren, aber es würde wohl wenig Sinn machen und zum Teil zu Widersprüchen führen, weshalb davon abgeraten wird.
Neben üblichen Verdächtigen wie Mooks J/N oder mehr/weniger Verletzbarkeit sind hervorzuheben "Schießt da jemand?" (die A-Team-Klausel nach der Kugeln so gut wie nie treffen; seltsamerweise gilt sie nur für NSC-Schergen) und "Funky Stuff" (die Freischaltung von realtitätsverbiegenden Stunts um K.I.T.T. und McGyverismen legal zu machen).

Serienarten
Hier werden einige übliche Serienkonzepte wie Cop-Serie oder Heros-For-Hire-Serie nebst bekannten und selbsterschaffenen Beispielen. Hilfreich, aber keine Offenbarung.

Spielleitertipps
Hier finden sich die Standardtips zu Abenteuerbau etc.
Originell sind nur typische Serienkonventionen wie Split-Screen, Pilotserie und Montage, sowie eine Handvoll Kniffe wie Flashbacks.

Schergen
Das ist die Funky-Colts-Bezeichnung für Mooks, die gesichtslosen Schergen die man im Dutzend billiger umhauen darf.
Die unterliegen etlichen Nachteilen sowie einigen Vereinfachungen, um leichter en masse vom Spielleiter geführt werden zu können. Buchführung über Wunden ist aber weiterhin notwendig.

Meinung:
Funky Colt ist ein solides und funktionabeles Regelwerk. Wer cineastische RPGs alla Liquid mag kann ruhig zu greifen.

Das Regelwerk ist erfrischend und verständlich geschrieben.

Die Wüfelsystematik Attribut + Fertigkeit zzg. 2w gegen Mindestwerte ist gängig und häufig erprobt.

Dementsprechend ist das System einfach zu erlernen, wartet aber auch nicht mit besonderen Inovationen auf.

Auch gibt das System keine besonderheiten für den Speziellen Hintergrund von TV Serien der 70er / 80er mit.

Zwar sind die Spielleitertips ausführlich und bieten einige schöne Gedankenansätzen, aber die Regelsystematik

Gibt hierfür keine Extras für das zusätzliche Spielgefühl.

Alles im allem ist Funky Colts also als solides System zu entfehlen – die Innovative Überraschung dagegen ist

Es aber nicht.