Erläuterung worum es sich bei RPG (Role Playing Game) eigentlich handelt.


(Auszug aus dem Buch „Das große Buch der Fantasy-Rollenspiele“ von Ulrich Kaiser)


Was sind und wie spielt man Fantasy-Rollenspiele?

Die Idee der Fantasy-Rollenspiele besteht darin, den Spielern die Möglichkeit zu geben, an einem Fantasy-Abenteuer teilzunehmen, dessen Ausgang ungewiß ist und dessen Ablauf sie selbst mitbestimmen können.
Fantasy-Bücher und Filme erfreuen sich größter Beliebtheit, weil sie Ihre Konsumenten in eine Welt voller Wunder entführen. In eine Welt, in der es weder Taschenrechner noch Fahrkartenautomaten gibt, statt dessen aber märchenhafte Wesen, wie Elfen, Halblinge und Zwerge.
In einer Welt voller Monstren, Magie und Heldentaten sind die Leser und Kinobesucher jedoch nur Zuschauer und beobachten passiv, wie kleine Schuljungen ein Land namens Phantasien vor dem Untergang retten, wie elefantenstarke Conans Bäume ausreißen und wie kleine Hobbits den einen Ring der Macht zerstören.
All dies geschieht auch im Fantasy-Rollenspiel. Nur entscheiden hier die Spieler über Erfolg und Mißerfolg der Unternehmungen, in die sie von einem Spielleiter geführt werden. Phantasie und Einfallsreichtum sind aus diesem Grunde wichtige Voraussetzung für ein gelungenes Rollenspiel.
Die Spieler nehmen an einem Fantasy-Rollenspiel nicht mit ihren Alltagspersönlichkeiten teil. Fürs Rollenspiel bekommen Hausfrauen, Kraftfahrzeugmechaniker und Schuljungen eine neue abenteuerliche Rolle verpaßt. Jeder Spieler verkörpert für die Dauer des Abenteuers einen ganz bestimmten Spielcharakter, der vor Spielbeginn von ihm selbst erschaffen wird.
Das Fantasy-Rollenspiel wird nicht auf einem Spielplan oder Spielbrett gespielt, da diese niemals die ganze Vielfalt der Umgebung, in der sich die Spielcharaktere aufhalten, wiedergeben können. Allerdings kartographieren die Spieler grundsätzlich den Weg ihrer Spielcharaktere mit. Alte Rollenspielhasen stellen dann bemalte Zinnfiguren auf den Plan, die ihre Spielcharaktere symbolisieren sollen.
Lassen Sie uns jetzt die Theorie für einen Moment in den Schrank stellen. Wir schauen einfach mal in eine Rollenspielrunde hinein (und lernen dabei gleich die wichtige Funktion des Spielleiters kennen):



Klaus
(D&D-Master bzw. DM):
Ihr befindet euch in einem etwa 30 mal 50 Ellen großen Raum, der früher offensichtlich einmal als Bibliothek gedient hat. Neben zerstörten Regalen und wild verstreuten Schriftrollen seht Ihr einige Strohsäcke auf dem Boden liegen. Türen sind in der West- und in der Nordwand.
Karin
(Grigg, die Diebin):
Sehen die Strohsäcke aus, als ob sie jemand als Schlafgelegenheit benutzen würde?
DM: Einige Essensreste, die ihr in dem Raum findet, lassen darauf schließen.
Grigg: Hey, Zax, magst Du Dir nicht mal die Schriftrollen anschauen? Vielleicht ist ja was Interessantes dabei.
Manfred
(Zaxezox, der Zauberkundige):
Ich greife mir die nächste Schriftrolle. Kann ich etwas lesen oder entziffern?
DM: Nein. Die Runen auf der Schriftrollen sagen Dir nichts.
Christian
(Trumbi, der Halbling):
Also mir wird das schon wieder zu gefährlich. Ich gehe zurück zur Westtür und schaue, ob jemand kommt.
Stefanie
(Perrenia, die Kämpferin):
Ich schneide mit meinem Schwert die Strohsäcke auf.
DM: im zweiten Strohsack findest Du einen Beutel mit 50 Silbermünzen. Sonst nichts. Trumbi sieht aus dem fernen Süden zwei Gestalten näherkommen. Sie scheinen zu streiten.
Trumbi: Da kommt was, da kommt was! Ich ziehe mein Schwert und laufe schnell in die Süd-Ost-Ecke des Raumes!
Jürgen
(Lalrop, der Kleriker):
Ich meditiere und lerne den Lichtspruch.
Lothar
(Hacks, der Kämpfer):
Wir stellen uns kampfbereit an der Ostwand auf.
DM: Nach kurzer Zeit seht Ihr die zwei Gestalten, die unzweifelhaft Orks sind, an der offenen Tür vorbeigehen. (Der DM würfelt mit einem sechsseitigen Würfel.) Gerade als Ihr erleichtert aufatmen wollt, wird einer der Orks auf euch aufmerksam. Die beiden Orks bleiben stehen und sehen Euch durch die Türe hindurch erstaunt an.
Hacks: Wir greifen noch nicht an, sondern warten ab.
DM: Wollen mal sehen, was die Orks machen. (Würfelt mit zwei schsseitigen Würfeln.) Die Orks fliehen in südlicher Richtung.
Perrenia: Ich schlage vor, daß wir uns schleunigst aus dem Staub machen. Vielleicht holen die Brüder Hilfe. Ich gehe zur Nordtür und lausche.
DM: Wollen mal sehen, ob Du was hörst. (Schaut in das Textbuch seines Abenteuermoduls und würfelt anschließend mit zwei zehnseitigen Würfeln.) Nein, Perrenia, Du hörst nichts.
Perrina: Ich öffne die Tür vorsichtig einen Spalt breit. Und schaue hindurch.
DM: Zum Schauen kommst Du nicht mehr, denn der Türgriff ist zu Deinem Entsetzen der Auslöser einer Falle. Bitte würfle! (Er rollt ihr den zwanzigseitigen Würfel hin.)
Perrina: (Würfelt eine 17) Puh, das war wohl knapp?
DM: Vorbei an Deiner Kettenrüstung saust ein Pfeil und scheppert gegen die Südwand.
Perrina: Okay, ich verkrafte den Schreck und öffne die Tür. Was sehe ich?
DM: Du siehst einen nicht beleuchteten Raum. Du kannst allerdings erkennen, daß in der Mitte des Raumes eine Art Statue steht.
Trumbi: Da will ich nicht rein. Ich will überhaupt nirgendwo rein. Ich will hier raus!
Hacks: Nun beruhige Dich mal. Schließlich warst Du im Wirtshaus der erste, der den sagenumwobenen Riesensmaragd aus diesen Gewölben holen wollte. Wenn wir Dich nicht aufgehalten hätten, wärst Du noch in der gleichen Nacht hierher gegangen. Etwas Disziplin bitte.
Trumbi: Ich will keinen Smaragd. Ich will hier raus. Orks überall!
Zaxezox: Dann geh doch, Du Halbling. Kleine Leute sind uns hier sowieso keine Hilfe.
Trumbi: Gehen, ich soll gehen? Ich glaube, Ihr spinnt. Wie solltet Ihr ohne mein Wissen und meine Kraft dieses Abenteuer überleben?
Perrenia: Da hat er recht. Wo kämen wir hin, ohne das Wissen und die Macht von Trumbi, dem sagenumwobenen Halbling! Da könnten wir uns ja gleich in den nächsten Bach stürzen. Trumbi! Ohne Dich schaffen wir das nie! Kümmere Dich nicht um Zax, Trumbi, und bleibe bei uns.
Grigg: Jetzt wird’s mir aber gleich zu bunt hier. Trumbi kann machen, was er will, mir ist’s egal, ob wir einen Halbling mehr oder weniger durch die Gegend schleppen. Trotzdem sollten wir uns vielleicht darum kümmern, hier schnellstmöglich wegzukommen. Wenn die Orks echt Hilfe holen, geht’s hier bald rund!
Hacks: Also, wir lassen die Nordtür und den Raum dahinter in Ruhe und verlassen die Bibliothek durch die Tür in der Westwand.
DM: Okay.
Hacks: Dann laufen wir nach Norden
DM: Nach ungefähr 120 Ellen kommt Ihr an eine Kreuzung. Ihr könnt weiter nach Osten oder Westen, oder zurück in den Süden. Im Westgang seht Ihr nach ungefähr 30 Ellen in der Nord- und in der Südwand gegenüberliegend zwei Türen.
Hacks: Wir sausen nach Osten.
DM: Ihr saust? (Würfelt mit drei sechsseitigen Würfeln.) Nach 30 Ellen hört Ihr gerade noch ein Krachen, dann verliert Ihr den Boden unter den Füßen. Ihr fallt, allerdings nicht besonders tief. Nur der Halbling muß wegen Verletzungen würfeln.
Trumbi: Immer ich! (Würfelt mit dem zwanzigseitigen Würfel eine drei.) Mist! Ich hab’s doch kommen sehen. Immer ich! Mit was muß ich würfeln?
DM: Nur mit dem vierseitigen.
Trumbi: (Würfelt mit dem vierseitigen Würfel eine eins.) Na wenigsten etwas. Ein Schadenpunkt. Läßt sich verkraften.
Hacks: Ich schaue mich jetzt mal um. Was sehe ich?
DM: Du siehst, daß Ihr in eine typische, wenn auch relativ freundliche Fallgrube gestürzt seid. Aus dem Boden ragen keine Speerspitzen. Die Wände der Fallgrube sind knapp drei Meter hoch.
Perrenia: Wie kommen wir hier am besten raus? Wollen wir ein Seil mit Haken werfen?
Grigg: Nee, halt ich für schlecht. Am besten ist, Ich versuch, die Wand zu erklettern. (Würfelt mit zwei zehnseitigen Würfel eine 46.) Damit schaff ich’s wohl nicht!
DM: Nein. Bei Deinem Kletterversuch stellst Du übrigens fest, daß die Wände mit Fett eingerieben sind.
Lalorp: Dann laß Du Deinem Kämpfer doch ein Seil werfen. Aber mach schnell. Hacks, ich fürchte, die Fallenbauer wissen schon Bescheid.
Hacks: Ich befestige einen Hacken aus meinem Rucksack mit dem Seil und werfe es über den Rand. Dann hole ich das Seil vorsichtig ein.
DM: Hast Du das Seil in östlicher oder westlicher Richtung geworfen?
Hacks: Jaa, na gut, nach Westen.
DM: Nachdem Du Dein Seil knapp zur Hälfte eingezogen hast, spürst Du Widerstand.
Hacks: Ich teste, wie stark der Hacken festhält und ziehe langsam immer fester.
DM: Das Seil ist fest und gibt nicht nach.


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Grigg ist eine Diebin, Elternlos aufgewachsen im Tavernenmilieu einer kleinen Stadt am Rande des Trauergebirges lernte sie schon früh die harten Seiten des Lebens kennen. Jetzt zieht sie umher, ziellos, immer auf der Suche nach Schätzen und Reichtum, um sich eines Tages Ihren Traum vom zufriedenen Wohlstand erfüllen zu können.


Zaxezox ist ein Zauberkundiger. Als Sohn eines Klerikers und einer Elfin wurde er in frühester Jugend auf eine Zauberschule geschickt. Nach der Grundausbildung hat man Ihm den Auftrag gegeben, sich zu bewähren und ihn aus diesem Grunde für ein Jahr in die Welt hinausgeschickt.


Trumbi, der Halbling, ist ein Kapitel für sich. Als typischer Halbling dürften Abenteuer ihn eigentlich überhaupt nicht interessieren. Und so war es auch, bis ihm eine Tages das fürchterlichste Mißgeschick seines Lebens widerfuhr: nach einer ausgiebigen Sauftour durch die Weingewölbe von Frettingen beleidigte er den Anführer einer Ork-Truppe, die sich ebenfalls auf Bacchus´ Spuren befand. Die Orks machten kurzen Prozeß mit den trunkenen Halbling, nahmen Ihn gefangen und transportierten Ihn auf einem Ochsenrücken gefesselt 500 Meilen durch Wüste nach Eddas. Dort verkauften sie Ihn als Sklave an einem reichen Kaufmann. Dieser mußte einsehen, daß er sich mit Trumbi total verkauft hatte und tauschte ihn tags darauf mit einem Wirtshausbesitzer gegen ein kleines Faß Rotwein. Trumbi hatte drei Monate lang tägliche Reinigungsarbeiten hinter sich, bis es ihm gelang, zu flüchten. Seitdem ist er auf der Suche nach seiner Heimat. Er hat sich vorgenommen. dort als Held zurückzukehren.


Lalrop, Hacks und Perrenia haben ebenfalls eine eigene Geschichte, die sich ihre Spieler ausgedacht haben. Alle Spielcharaktere existieren als Ansammlung von Zahlen auf einem "Charakterborgen“. Vor Spielbeginn müssen die Spieler einen solchen Charakter erschaffen. Die verschiedenen Eigenschaften der Charaktere konzentrieren sich in sogenannten Attributen: Stärke, Intelligenz, Geschicklichkeit etc. Für die Attribute gibt es eine Werteskala, die von drei bis achtzehn reicht. Um nun festzustellen, wie stark, intelligent etc. der Charakter ist, würfeln die Spieler üblicherweise mit drei sechsseitigen Würfeln und tragen das entstandene Ergebnis zwischen drei und achtzehn auf dem Charakterbogen ein. Wenn die Werte für alle Attribute ermittelt sind, müssen die Spieler den Spielcharakteren eine Identität geben: Spielcharaktere können Menschen sein, ebenso aber auch Elfen, Zwerge oder Halblinge. Rollenspiel-Anfängern sei empfohlen, zu Beginn einen menschlichen Charakter zu spielen. Es erfordert bereits viel Vorstellungsvermögen, einen Kämpfer, Kleriker, Zauberkundigen oder Dieb gut zu spielen. Weitere Details, wie Gewicht, Geschlecht, Alter und Gesinnung, fügt der Spieler nach Gutdünken dazu. Sind alle Vorbereitungen abgeschlossen, so ist der Charakter spielfertig. Der Spieler denkt sich eine Hintergrundgeschichte (Trauergebierge, Weingewölbe oder Zauberschule) aus und schlüpft in die Rolle seines Charakters hinein.


Innerhalb des Fantasy-Rollenspiels nimmt der Spielleiter eine zentrale Position ein. Er ist Auge und Ohr der Spieler, die er in ein selbst erdachtes oder gekauftes Abenteuer führt, die als „Abenteuermodul“ oder „Abenteueralmanach“ zusätzlich zu den Regeln erhältlich sind.


Fantasy-Themen aus Büchern oder Filmen können ebenfalls sehr gut als Vorlage genommen werden. In diesem Falle spielt man nicht die Handlungen der Hauptpersonen, d.h. Romanhelden, nach, sondern kommt nur in ähnliche Situationen. Viele Fantasy-Leser fragen sich sicherlich häufiger, was wohl passiert wäre, wenn die Hauptperson in einer bestimmten Situation anders gehandelt hätte. Fantasy-Rollenspiele sind ideal, um genau dieses herauszufinden.


Daß es im Fantasy-Rollenspiel keine Verlierer und Gewinner gibt, wurde bereits erwähnt. Und da es keine Verlierer und Gewinner gibt, hat das Spiel auch keine Ende. Einzelne Abenteuer werden sehr wohl abgeschlossen. Der Spielcharakter wird danach allerdings nicht aufgelöst, sondern von seinem Spieler auch in das nächste Abenteuer geführt. Es ist übrigens durchaus üblich, daß einzelne Spieler mehrere Spielcharaktere „besitzen“, die in mehreren Rollenspielrunden zum Einsatz kommen. Es gibt sogar Spieler, die einen „Haupt“-Spielercharakter besitzen, der so gut wie nie im Abenteuer auftritt. Dieser Hauptspielercharakter heuer sich einige Gefolgsleute an und schickt diese dann in die Rollenspielabenteuer.


Fantasy-Rollenspiele sind Simulationsspiele. Sie geben den Spielern die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, ohne die Konsequenzen selbst tragen zu müssen. Stirbt ein Spielcharakter bei einer gefährlichen Aktion, so wird der Spielleiter dem Spieler stets gestatten, sich einen neuen Charakter auszuwürfeln. Diesen neuen Spielcharakter wird der Spielleiter dann einfach in das Spiel einbeziehen, indem er ein Zusammentreffen zwischen der Abenteurergruppe und dem neuen Spielercharakter inszeniert.


Fantasy-Rollenspiele sind ein Hobby! Beim Fantasy-Rollenspiel gibt es darum genausowenig einen Gewinner wie beim „Modellbau“, beim „Amateurfunk“ etc. Das bedeutet aber nicht, daß Rollenspieler wettbewerbsfeindlich sind! Auf Rollenspietreffen, oder bei sonstigen besonderen Anlässen, werden gerne sogenannte „Wettbewerbsmodule“ gespielt, bei denen die Spieler innerhalb kürzester Zeit ein bestimmtes Ziel erreichen, oder einfach möglichst viele Schätze ansammeln müssen. Die eigentliche Qualität des Rollenspiel liegt allerdings im spontanen Spiel, ohne Gewinnzwang, Hektik und Konkurrenz.


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