Rauben, Plündern und Erobern

Die Schöpfungsgeschichte der neuen (Drittauflage-) D&D-Orks sorgte für ungeahntes Aufsehen und (wohl in dieser Form nicht erwarteten) Widerstand. Elf lange Zweitauflagenjahre (ganz zu schweigen von den zwölf Jahren der Erstauflage) war man gewohnt, in den Orks rechtschaffen böse (bei DSA würde man jetzt noch „Kultur schaffende“ hinzu fügen) Wesen zu sehen, die zwar traditionellen Feinde der Elfen, aber im Gegensatz zu diesen gut organisiert und weitaus zahlreicher waren. All dies änderte sich im August 2000 schlagartig, als die Autoren der Drittauflage entschieden dass Orks ab sofort chaotisch böse zu sein hätten (was zu einem ungefähr ähnlich großen Aufstand der Fans führte wie die Bekanntgabe der Tatsache, dass St. Cuthbert plötzlich nicht mehr rechtschaffen gut, sondern rechtschaffen neutral war).
Auf diversen Mailinglisten wurde das Thema diskutiert, und es war schließlich an Robert Wiese, den Sinn dieser Änderung darzulegen: Der Konflikt zwischen Orks und Elfen sollte auf einen reinen Gut-Böse-Gegensatz reduziert werden, ohne dass man auch noch den Unterschied auf der Rechtschaffen-Chaotisch-Schiene einbeziehen wollte. Eine simple Vereinfachung also.
Nach der Revolution des Weltbildes stellt sich der D&D-Ork nun wie folgt dar (entnommen dem Monster Manual, dessen deutsches Erscheinen nicht mehr all zu weit liegt): Er ist ein aggressiver Humanoide, der nichts mehr mag als zu rauben, zu plündern und andere Wesen zu bekämpfen. Er hasst Elfen und Zwerge aus Gründen, die im Dunkeln der Geschichte verborgen sind, und tötet sie gemeinhin, ohne vorher zu fragen. Orks haben in der Regel graue Haut, grobes Haar, eine fehlende Stirn, Hundeohren, rötliche Augen und Schweinegesichter (inklusive Schnauze) mit an Eberhauer erinnernden Fangzähnen. Sie gehen gebeugt und tragen gern knallbunte Kleidung, die von den meisten Menschen wohl als unangenehm empfunden würde. Natürlich ist ihre Ausrüstung verschmutzt und ungepflegt. Wenn Orks nicht gerade einer ihrer drei Lieblingsbeschäftigungen nachgehen (s. o.), sind sie mit der Planung derselben oder mit dem Üben an der Waffe beschäftigt. Sie sprechen ihre eigene Sprache (Orkisch), die trotz diverser Dialekte von allen Orks weltweit verstanden wird.
Das Gesellschaftssystem der D&D-Orks ist recht einfach gezimmert: Um zu überleben, müssen Orks so viel Lebensraum wie möglich erobern, was sie zu natürlichen Feinden all ihrer Nachbarn macht (selbst wenn dies andere Orkstämme sind). Ihre Götter lehren sie, dass alle Nicht-Orks Lebewesen zweiter klasse sind und das allein den Orks von rechts wegen die Welt gehört, die man ihnen am Anbeginn der Zeit gestohlen hat (siehe weiter unten). Die Orkgesellschaft ist ein Patriarchat, in dem Frauen bestenfalls als wertvolle Besitztümer gelten. Der Reichtum eines Orks zeigt sich nicht zuletzt in der Zahl seiner Frauen (sowie seiner männlichen Nachfahren); Kampfgeschick, finanzieller Reichtum und beherrschtes Gebiet sind aber auch nicht unwichtig. Orks fügen sich selbst häufig rituelle Narben zu, um wichtige Ereignisse in ihrem Leben zu verewigen.
Der in D&D sehr beliebte Halb-Ork gehört in der Drittauflage wieder zu den spielbaren Charakterklassen, nachdem die Zweitauflage ihm den Garaus gemacht hatte. Halb-Orks sind in etwa so groß wie Menschen (Orks sind im Schnitt 1,80 m groß) dafür aber muskulöser. Im Allgemeinen erkennt man die Orkischen Erbanlagen eines Halb-Orks ganz gut, insbesondere aufgrund der gräulichen Haut, der fliehenden Stirn, des hervorstehenden Kiefers und der Zähne. In der Regel spielt man einen Halb-Ork, wenn man einen großen starken Charakter (+2 auf Stärke) haben möchte, der wieder zu beeindruckend (-2 auf Charisma) ist. Entsprechend ist die bevorzugte Charakterklasse der Halb-Orks die des Barbaren. D&D-Halborks haben Namen wie Drench, Feng, Gell, Henk, Holg, Imsh, Keth, Ront, Shump und Thokk (wenn sie männlich sind) oder Baggi, Emen, Engon g, Myev, Neega, Ovak, Ownka Shauta, Vola und Volen (wenn sie weiblich sind). Wenig geändert hat sich beim Editionswechsel in der orkischen Mythologie. Der Hauptgott der Orks ist Gruumsh Einauge, der die Metamorphose seiner Kinder von rechtschaffen böse zu chaotisch böse mitmachen musste (oder war´s umgekehrt?). Gruumsh, auch als „Der, der niemals schläft“ bekannt, steht unangefochten an der Spitze eines kleinen Pantheon selbst für erfahrene D&D-Spieler eher unbekannter Götter (der bekannteste davon ist noch Bathtru, der strunzdumme Sohn Gruumshs, im Pantheon für Kampf und Stärke verantwortlich). Nichtsdestotrotz ist das Pantheon der Orks noch das größte und am besten ausgearbeitete aller Goblinoiden. Gruumsh selbst ist der Gott des Krieges und des Gebietsgewinns, und seine klerikalen Domänen nach der Drittauflage sind Böses, Chaos, Krieg und Stärke.
Am Anbeginn der Welt trafen sich alle Götter und losten aus, wo sich ihre Völker in der Welt niederlassen sollten. So kamen die Elfen zu den Wäldern, die Zwerge zu den Bergen, die Gnome zu den sonnigen Hügeln usw. – und als die Reihe an die Orks kam gab es keine Lose mehr. Daraus leitete sich die Behauptung der Orks ab, die anderen Völker hätten ihnen die Welt gestohlen. Dies zumindest war Gruumshs Äußerung, als für Ihn kein Los mehr übrig blieb, und so begann der immerwährende Konflikt zwischen den Orks und allen anderen Lebewesen. Gruumsh erzwang seinen Orks einen Platz in der Welt. Die anderen Götter waren damit nicht zufrieden, und es kam zum Kampf. In diesem Kampf. In diesem Kampf stach Corellon Larethian, der Hauptgott der Elfen, Gruumsh ein Auge aus – ein Ereignis, das in der orkischen Mythologie natürlich völlig anders dargestellt und einer gemeinen List des Elfengottes zugeschoben wird. Wie dem auch sei Gruumshs fehlendes Auge ist seinen Priestern Inspiration und Ansporn zugleich, und nicht viele von ihnen stechen sich selbst in religiösen Eifer ein Auge aus, um ihrem Gott näher zu sein (der Charakterklassen-Ergänzungsband Masters of the Wild hat mit dem „Auge des Gruumsh“ sogar diesbezüglich Prestigeklasse samt dazu gehöriger Organisation eingeführt).
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